Mr. Harvey Two-Face

Jetzt geht es doch merklich aufwärts, auch wenn immer wieder seltsame Wellen von Rückschlägen einsetzen. Gestern abend war ich auf einmal total erschöpft und hatte Gliederschmerzen. Eine Stunde später war aber alles wieder vorbei und mir gings besser. Die Schluckschmerzen und die Mundtrockenheit sind fast vollkommen abgeklungen, so dass ich meine Salbeitee-Kur nach genau 100 Tassen in den letzten 3 Wochen beendet habe. Ebenso die Verletzungen in der Mundhöhe – alles wieder tiptop!

Probleme macht mir im Moment ein wenig die Halsaussenfläche. Die anfangs gerötete Haut hat hat sich nun verdunkelt und geht ins Braune. Vor allem am Halsansatz seitlich schmerzt es ziemlich, ähnlich wie eine Schürfung. Vor dem Spiegel sehe ich Harvey Two-Face aus dem Kinofilm Batman Returns ein wenig ähnlich ;-). Eine Gesichtshälfte ist normal, die andere ziemlich verfärbt.

Ansonsten fehlt mir noch immer jeglicher Geschmack, auch wenn ich bei jedem Essen das Gefühl habe, irgendetwas salziges oder süsses zu schmecken. Ist dann doch mehr Einbildung als Tatsache. Trotzdem im Moment gehts weiter aufwärts und ich bin sehr zuversichtlich. Morgen Dienstag habe ich meinen nächsten Termin beim Onkologen.

 

Der Kampf dauert an

Fast ist es eine Woche her, seit die letzte Bestrahlung stattfand. Noch immer kämpfe ich mit den Nebenwirkungen. Zwar bin ich inzwischen glücklicherweise von den schlimmsten Schmerzen befreit, aber die immer wieder aufkeimende erhöhte Körpertemperatur, die spürbare Hitze am Hals und die teilweise brutale Kraft- und Energielosigkeit zeugen davon, dass der Kampf im Körper noch immer in vollem Gange ist. Zudem ist der Hals wieder trockener als vor ein paar Tagen und auch die Schluckschmerzen haben wieder etwas zugenommen.

Zeitweise geht es mir sehr gut, ich kann arbeiten oder an Sitzungen teilnehmen. Aber es gibt Stunden, da kann ich mich nur hinlegen und das Ende der Phase abwarten. Sicherlich hilft die totale Appetitlosigkeit aufgrund des Geschmacksverlustet nicht wirklich, wieder Kraft zu tanken. Aber ich muss mich noch immer sehr dazu zwingen, überhaupt etwas zu essen. Am besten klappte bisher Buchstaben-Suppe, welche ich noch vor zwei Wochen nie angerührt hätte (war nie ein Liebhaber von Bouillon-Suppen).

Ich bin gespannt, wann die Nebenwirkungen endgültig merklich abnehmen und freue mich darauf. Jetzt muss ich akzeptieren, dass mein Arbeitstag nicht wie früher bis 15 Stunden dauern kann, sondern meist nur 2 bis 3 Stunden. Die Arbeit stapelt sich auf meinem Pult und viele werden verständlicherweise immer ungeduldiger. Ich muss mir selber mehr Zeit einräumen als geplant, hoffte ich doch, dass ich nach dem Ende der Bestrahlung wieder richtig loslegen kann.

Wahlsieg, Zahnziehen und Nebenwirkungen

Die letzten Tage waren ein stetes auf und ab. Der gestrige Sonntag natürlich als Höhepunkt. Einerseits der Geburtstag meiner liebsten Frau, andererseits der sensationelle eidgenössische Wahltag mit der Vervierfachung der Nationalratssitze für die Grünliberale Partei. Ich freue mich riesig für und mit Jürg Grossen und Kathrin Bertschy zu ihrer Wahl als Berner Vertreter. Mit ihnen arbeite ich seit 3 Jahren sehr gerne im Berner Vorstand der Grünliberalen zusammen. Zwei äusserst fähige Politiker, Jürg als Unternehmer und meine Nr. 1 auf smartvote.ch, Kathrin als erfahrene Stadträtin und sehr engagierte politische Brückenbauerin. Leider verpasste Michael Köpfli die Wahl sehr knapp (um knapp 400 Stimmen). Ich bin aber überzeugt, dass ihm die Zukunft gehört.

Gesundheitlich war der Samstag Abend schlimm. Nachdem ich bereits am Freitag Abend Zahnschmerzen hatte, verschlimmerten sich diese am Samstag Abend so massiv, dass ich einen Notfall-Zahnarzt aufsuchen musste. Nach Röntgen und weiteren Untersuchungen blieb nur das Ziehen des Backenzahnes übrig (starke Parandontose rechts oben ganz hinten). Da dieser Zahn schon immer mein Problemzahn war, hält sich Trauer in Grenzen.

Die übrigen Nebenwirkungen von der Bestrahlung sind noch immer da, aber äussern sich sehr unterschiedlich. Währenddessen Schluckschmerzen und Mundtrockenheit merklich abnehmen, ist der Geschmacksverlust zwar schmerzfrei aber sehr behindernd. Mir fehlt jeder Hunger und verspüre überhaupt keine Lust zu Essen. Ich muss mich richtiggehend zwingen zwischendurch etwas zu mir zu nehmen. Neben den positiven Effekten für mein Übergewicht sind die Folge davon Kraftlosigkeit und ein sehr tiefer Energielevel. Trotzdem geniesse ich es, heute zum ersten Mal seit vier Wochen an einem Werktag nicht ins Spital fahren zu müssen.

 

 

Bestrahlung 20 von 20 – GESCHAFFT!

So, es ist geschafft! Heute war die letzte Bestrahlung. Mein hoffentlich letzter Besuch in der Radio-Onkologie im Lindenhofspital. Ich verabschiedete mich vom Personal und bedankte mich bei den Radiologinnen für ihre immer sehr zuvorkommende Betreuung mit einer grossen Schachtel Gailler Femina Pralinés und einem Batzen für die Kaffeekasse.

Jetzt heisst es abwarten und Salbeitee tringen. In ca. 6 Wochen wird überprüft, ob der Krebs tatsächlich weg ist. Bis dahin werde ich mich noch etwas mit den Nebenwirkungen rumschlagen müssen. Inzwischen ist es vor allem der Geschmacksverlust, welcher mich stört. Ich merke erst jetzt, wie wichtig der Geschmackssinn doch tatsächlich ist. Inzwischen fehlen die Empfindungen für süss, sauer und salzig. Alles schmeckt nach altem Karton, nur die Nase hilft noch, etwas Unterschied zu riechen.

Andererseits ist es interessant, bekannte Geschmacksarten zu testen. So probierte ich heute eine Coca-Cola zero und es schmeckte wie kribbelndes, abgestandenes Leitungswasser (keine Säure, keine Süsse). Auch ein Sandwich mit den vor mir so geliebten Essiggurken schmeckte plötzlich wie ein alter Karton – ok, vielleicht ein bisschen übertrieben, aber es geht in die Richtung. Jedenfalls muss ich mir in den nächsten Wochen keine grossen Gedanken bei der Auswahl von Speisen machen, da sowieso fast alles gleich schmeckt.

Ich hoffe aber, dass bis zu den ersten Weihnachtsessen mein geliebter Geschmackssinn zurück ist und ich wieder der alte Geniesser sein kann. Vielleicht etwas vernünftiger in der Menge, dafür viel dankbarer für die verschiedenen Nuancen der Geschmäcker.

Geschmacksverlust und abendliche Reaktionen

Die Nebenwirkungen verschieben sich inzwischen. Während Schluckschmerzen und die Mund-Trockenheit merklich abnehmen, hat sich mein Geschmacksinn teilweise verabschiedet. Ich kann kein Süsses mehr schmecken, ausgerechnet mein Lieblingsgeschmack. Gemäss Arzt und Internet-Recherche sollte sich dies aber in einigen Wochen wieder einrenken. Noch immer heftig sind die abendlichen Reaktionen. Ab ca. 17 Uhr bis 22 Uhr fährt der Körper massiv herunter, ich fühle mich total schlapp und die Schmerzen im Mund nehmen vorübergehend wieder zu. Ich hoffe, dass diese Nebenwirkungen nach der letzten Bestrahlung morgen wieder ausbleiben.

Bestrahlung 19 von 20 – der Autoknacker

Heute gabs Action! Nach einem sehr guten Tagesbeginn ohne Schmerzen fuhr ich wie üblich nach dem Mittag zum Lindenhofspital zur zweitletzten Bestrahlung, diesmal mit unserem Firmen-Ersatzauto, einem 14-jährigen Mazda 121 (natürlich ohne Zentralverriegelung).

Die Bestrahlung war problemlos und schnell vorbei. Im Anschluss hatte ich meine Abschlussbesprechung mit dem Radio-Onkologen. Dieser bestätigte mir, dass die Verletzungen in der Mundhöhle sich zurückbildeten. Er zeigte sich erstaunt, da normalerweise zu diesem Zeitpunkt der Bestrahlung meist erst die grösseren Nebenwirkungen einsetzten. Scheine ein schneller Berner zu sein 😉

Die Blutwerte der Untersuchung von gestern waren alle gut und innerhalb der Normgrenzen. Jetzt biege ich also in die Zielgerade ein und werde morgen zum letzten Mal bestrahlt.

Als ich wieder zum Auto zurückkehrte, konnte ich die Türe nicht mehr öffnen. Leider steckte ich zu Hause den falschen Schlüsselbund ein (mit einem dank eines ehemaligen Mitarbeiters abgebrochenen Türschlüssels). Da der Zündschlüssel ein anderer ist, bemerkte ich den Fehler nicht und schloss das Auto mit dem Drücken des Türknopfes ab. Nun stand ich also vor dem Auto und erinnerte mich an mein erstes Auto, einen Mazda 323, bei welchem ich wiederholt den Schlüssel im Auto vergass und per Türknopf abschloss.

Glücklicherweise erblickte ich den Abwart des Lindenhofspitals bei der Gartenarbeit und konnte von ihm einen dicken Draht auslehnen. Innert 3 Minuten gelang es mir tatsächlich, die Türe des Autos zu öffnen (einen Haken am Ende des Drahtes biegen und anschliessend mit dem Draht dem Fenster entlang auf der Höhe des Türknopfes eindringen und nach oben ziehen). Die vielen Leute rundum staunten nicht schlecht ab meiner kriminellen Energie. Jedenfalls konnte ich kurz darauf wieder nach Hause fahren.

Ich freue mich riesig auf nächste Woche, denn dann sollte endlich mein neues Auto geliefert werden – diesmal mit Zentralverriegelung. Der 100% elektrische Nissan Leaf, einer der ersten, der in die Schweiz geliefert wird.

 

Bestrahlung 18 von 20 – ein guter Tag

Heute war bisher der beste Tag seit 2 Wochen. Kaum Schmerzen und ich fühle mich richtig gut. Die Bestrahlung verlief problemlos und die anschliessende Blutentnahme erinnerte mich daran, dass das Ende der Therapie naht.

Die Wunden in der Mundhöhle scheinen sich etwas zurückzubilden, das Brennen lässt nach. Zwar hatte ich auch an anderen Tagen bessere Stunden, welche anschliessend von einer Welle von Schmerzen wieder abgelöst wurden, aber heute habe ich einfach ein gutes Gefühl. Mal Schauen wie es am frühen Abend sein wird. Oftmals kamen die letzten Tage die Schmerzen ungefähr 4-5 Stunden nach der Bestrahlung, aber heute nicht – Salbeitee trinken und dran glauben!

Nachtrag: etwas zu früh gefreut, das Brennen ist schon wieder da. Ich kleb mir jetzt den Mund zu und trete in einen Redestreik bis die Mundhöhle wieder ganz heil ist.

Bestrahlung 16 von 20 – aussergewöhnliche Reaktionen

So, die letzte Woche hat begonnen – Montag ist abgehäckelt, nur noch viermal ins Lindenhof-Spital. Da die Wunden im Mund immer noch bestehen, sich sogar eher ausgedehnt haben, suchte ich nochmals den Radio-Onkologen auf. Er meint, meine Reaktionen seien eindeutig Strahlenschäden, „sehr aussergewöhnlich“ und nicht üblich. Deshalb wäre ich auch nicht auf diese Nebenwirkungen hingewiesen worden. Obwohl sich die betroffene Fläche im Mund weiter vergrössert hat, sind die Schmerzen relativ gut ertragbar. Normalerweise Schmerzsträke 3 von 10 mit kurzzeitigen Böen bis 6 wenn ich reden oder kauen muss. Weniger freute mich, dass sich diese Nebenwirkungen bis drei Wochen nach der Bestrahlung hinziehen könnten – Geduld ist also weiter gefragt.

Auch der sehr starke Barthaarausfall (ist tatsächlich nicht rasiert) sei erstaunlich, da sich dieser normalerweise erst später und eher teilweise zeigte. Wenn die Krebszellen ebenso reagierten wie Barthaarwurzeln und die Mundhöhle, dann wären dies gute Zeichen. Dann hoffen wir mal, dass diese Zellen so gebraten werden wie Steven Spielbergs Gremlin in der Mikrowelle.

Bestrahlung 14 von 20 – der Mund brennt und erster Haarausfall

Gestern war ich nochmals beim Radio-Onkologen (Stv. meines Stammarztes) und habe zusätzliche Medikamente erhalten. Neben einer Mundspülung zur Verhinderung der Austrocknung (habe ich wieder abgesetzt, da es sie dazu führte, dass ein eher dickflüssiger, unangenehmer Schleim entsteht – dann doch lieber trocken). Zusätzlich noch zwei Salben für die Wundbehandlung im Mund. Diese helfen kurzzeitig und betäuben die schmerzhaften Stellen, welche sich inzwischen ausgebreitet haben und fast die gesamte linke Mundhälfte belegen.

Ich staunte nicht schlecht, als ich gestern noch kurz am PC sass und plötzlich ein Büschel Haare auf dem Pult lag. Am Nacken konnte ich problemlos weitere Haare entfernen und auch mein 5-Tages-Bart am linken Hals verliert immer mehr Stoppeln. Dies sollte sich aber laut Ärzten lokal beschränken und später wieder nachwachsen.

Um die Zunge besser zu schützen, erhielt ich eine Art Knetmasse, welche ich zwischen die Zähne nehmen musste und die Zunge auf die rechte Seite schiebt. Nach wenigen Minuten war die Masse erstarrt und kann nun für die restlichen Bestrahlungen als eine Art Zungenschutz verwendet werden, hoffentlich hilfts.

In den letzten 6 Tagen habe ich 50 Tassen Salbeitee getrunken. Nein, ich mag ihn überhaupt nicht, aber er hilft doch, die Schluckschmerzen für einige Minuten zu lindern.

Gemäss Arzt wird die Behandlung nach der 20. Bestrahlung abgeschlossen und ca. 6 Wochen später durch meinen Onkologen eine Bestandesaufnahme erstellt. Diese wird dann feststellen, ob weitere Behandlungen notwendig sind oder ob dieser Mistkerl die weisse Fahne schwingt.

 

Bestrahlung 12 von 20 – starke Schmerzen

Die Schmerzen auf der Zunge vom Freitag haben sich in den letzten Tagen enorm verstärkt. Gestern meinte mein Radio-Onkologe, es hänge wohl doch mit der Bestrahlung zusammen, sei aber sehr aussergewöhnlich. Es sind Rötungen und mehrere grössere Blasen, welche ständig auf den Zähnen reiben. Jede Bewegung der Zunge schmerzt, als ob eine glühende Kohle unter der Zunge liegt. Zum ersten Mal merke ich so richtig, wie oft wir unsere Zunge bewegen (Sprechen, Schlucken, Kauen). Lutschtabletten und Schmerztropfen lindern die Beschwerden kurzzeitig ein wenig. Immerhin helfen sie seit gestern den Schmerzpegel von gefühlten 8 auf ca. 5 zu senken (Skale von 0 bis 10).

Ich hoffe, dass diese Tage rückwirkend als die Schlimmsten in Erinnerung bleiben und schon bald nur noch die üblichen Nebenwirkungen (Schluckschmerzen, trockener Mund) übrigbleiben.

Es ist höchste Zeit, meiner Frau für Ihre Unterstützung und die Übernahme so vieler alltäglicher Arbeiten und den allergrössten Teil der Kinderbetreuung ganz herzlich zu danken. Ich bin so froh, bist Du bei mir.