2. Chemo – Tag 17: ↑

Und wieder ist eine weitere Woche um. Sicherlich eine bessere mit relativ wenig Schmerzen und gut ertragbaren Nebenwirkungen. Nächste Woche wirds dann wohl wieder schlimmer sein, am kommenden Dienstag erwartet mich meine 3. Chemotherapie – dann sind es nur noch 5 😉

Ihr solltet mich mal sehen, laufe ich doch ständig mit einer Kappe rum, draussen und drinnen. Kaum ziehe ich sie mal aus, beginne ich innert weniger Minuten zu frieren an. Es scheint also doch zu stimmen, dass 40% unserer Körperwärme über die Kopfhaut entweicht.

Die zur Zeit seltsamste Nebenwirkung fühle ich (oder eben nicht) in den beiden kleinen Zehen. Seit Tagen schlafen sie und sind durch keine Bewegung aufzuwecken. Auch in den Fingerbeeren habe ich einen merklichen Gefühlsverlust, aber fürs Tippen auf der Tastatur ist keine Behinderung spürbar. Eigentlich schon spannend, wie sich diese Therapie auf den ganzen Körper auswirkt, hoffen wir mal, dass sich nach dem Ende der Chemo alles wieder normalisiert.

Die Blutentnahme vom letzten Dienstag ergab wie schon in der zweiten Wochen nach dem letzten Zyklus sehr niedrige Leukozyten (weisse Blutkörperchen im Blut für die Abwehr von Krankheitserregern). Der Wert fiel von über 7 eine Woche zuvor auf 3.8. Einseits gut für die erfolgreiche Therapie andererseits gefählich, sollten irgendwelche Viren oder sonstige bösartige Erreger einen Angriff auf mich starten. Viel Trinken, Salat, Gemüse und das „aus dem Weg gehen“ von grösseren Menschenansammlungen werden dies hoffentlich verhindern.

2. Chemo – Tag 10: ↑

Judihui – endlich mal wieder ein guter Tag. Kein schmerzfreier, aber ein Tag mit ein wenig Arbeit, Gäste zu Hause und sogar einem Restaurantbesuch mit den Mädchen. Die letzte Woche war ziemlich besch… – halt eben wie es zu erwarten ist, die erste Woche nach der Chemotherapie. Trotzdem waren die Nebenwirkungen schlimmer als nach der ersten Therapie und es gesellten sich neue dazu. Richtig mühsam waren die Magenprobleme während der letzten drei Tage, welche seit gestern zum Glück merklich nachlassen. Wie meine Frau richtig bemerkte, diese Gifte greifen leider den ganzen Körper an.

Ich trenne die Nebenwirkungen in mühsame und schwer erträgliche Nebenwirkungen. Was schmerzfrei ist, ist zwar mühsam aber eben gut erträglich (Haarausfall, Gefühlsverlust an Fingerbeeren und an den kleinen Zehen, Müdigkeit, leichte Übelkeit). Bei den schmerzverursachenden Nebenwirkungen (Rückenschmerzen, Gliederschmerzen, Muskelschmerzen, Zahnschmerzen und eben die Magenschmerzen) hofft man einfach, dass sie möglichst schnell wieder nachlassen. Wenns dann nicht mehr auszuhalten ist, nehme ich Dafalgan als Schmerzmittel, welches zwar mindert aber die Schmerzen doch spürbar lässt.

Aber heute ist ja zum Glück ein fast schmerzfreier Tag und ich habe ihn genossen. Endlich mal wieder ein paar Stunden am Stück Arbeiten und viel Zeit mit den Mädchen während meine Frau Chorprobe hatte. Zwar fehlt Kraft und die Batterie ist immerhin wieder von rot auf orange zurückgekehrt, aber allein der Unterschied zu den letzten Tagen gibt ein richtig gutes Gefühl und lässt mich hoffen, dass die nächsten 10 Tage bis zur 3. Chemotherapie gute Tage sein werden.

2. Chemo – Tag 3: ↓

Hoch und runter, jeder Tag wieder anders. Heute mal wieder ein schlechter Tag. Zwar hatte ich auch heute gute oder relativ gute Stunden, z.B. beim Shopping mit einem sehr guten Freund, aber sonst wars definitiv ein Tag zum Vergessen. Schon letzte Nacht konnte ich nicht einschlafen, erst gegen 7 Uhr morgens fand ich die nötige Ruhe. Eine ungewöhnliche, nicht erklärliche Nervosität und unsere kleine Tochter im Elternbett hinderten mich, genügend herunterzufahren. Der Schlaf bis 11.30 Uhr war auch immer wieder von Unterbrüchen begleitet, dazu schien sich eine Erkältung anzubahnen. Mit eifrigem Benutzen des Vicks-Nasenstift konnte ich diese aber bis zum Nachmittag erfolgreich abwehren. Weniger gut gelang mir dies mit den Rückenschmerzen, der Müdigkeit und einer steten, leichten Übelkeit, welche glücklicherweise aber dank der Medikamente nie von einem Brechreiz begleitet war. Erst jetzt, spätabends, fühle ich mich wieder ein wenig besser und hoffe, dass der morgige Tag so beginnt, wie der heutige endet.

Es gibt aber auch sehr gute Nachrichten, unsere ältere Tochter scheint die Grippe endgültig überstanden zu haben und konnte heute wieder in die Kita. Jetzt hoffen wir sehr, dass die jüngere nicht auch noch Opfer dieser heimtückischen Saisongrippe wird.

2. Chemo – Tag 1 – ein Viertel geschafft: →

Heute war für meine Verhältnisse sehr früh und nach einer sehr kurzen Nacht Tagwache. Um viertel vor sieben aus dem Federntheater, unter die Dusche und um viertel nach sieben zum Onkologen. Nachdem die 1. Chemo im Zieglerspital stattfand, gings heute in die Praxis des Onkologen im Nebengebäude des Zieglerspitals. Nach einer kurzen Untersuchung (Leukozyten waren wieder über 6, also normal) startete der Chemo-Tankvorgang mit 7 Infusionen und 3 Spritzen durch meinen Port-a-Cath. Etwa während zwei Stunden konnte ich auf dem nicht sehr bequemen Behandlungsbett schlafen, die restliche Zeit döste ich vor mich hin – war schlicht zu müde für Musik oder einen Film von meinem mitgebrachten iPad. Leider funktionierte die Blutentnahme nicht durch den Port-a-Cath und die nette Pflegefachfrau musste mir einen Zugang am rechten Unterarm legen, welcher aber erstaunlicherweise schon beim ersten Mal klappte.

Um etwa ein Uhr mittags war ich wieder zu Hause und konnte noch mit der Familie zu Mittag essen. Den Nachmittag schlief ich fast durchgehend. Noch immer Müdigkeit, jetzt doch ein wenig Übelkeit und die wiederkehrenden Rückenschmerzen spüre ich seither. Aber es liegt alles im Rahmen des Erwarteten und ist gut zu ertragen. Glücklicherweise hatten wir heute Abend Hilfe mit den Kindern. Meine Frau hatte Chorprobe und das von den Mädchen sehr geschätzte Chäsitzer-Hütemädchen übernahm das Kinder-ins-Bett-bringen.

Inzwischen ist nach Mitternacht und unsere ältere Tochter (6) ist soeben aufgewacht. Sie leidet noch immer an der Grippe, seit nun etwa einer Woche. Die Fieberwellen (glücklicherweise nicht hoch) kommen immer wieder. Es ist das schlimmste, die eigenen Kinder leiden zu sehen. Morgen Mittwoch feiert sie ihren 6. Geburtstag, hoffentlich geht es ihr besser. Wir alle wünschen uns, dass diese mühsame Grippe endlich aus unserer Familie verschwindet.

1. Chemo – Tag 21 – Exodus der Kopfhaare: ↑

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Der letzte Tag vor der 2. Chemo ist geprägt von meinem neuen Spiegelbild.

Sie sind alle weg, in zwei Tagen habe ich mich vom gutbürgerlichen Mittelschichtler zum Skinhead verwandelt.

Gestern beim Duschen schwärzte sich plötzlich das Wasser vom ausfallenden Kopfhaar. So entschloss ich mich, auch den kümmerlichen Rest der Haare zu rasieren. Es gibt ja sehr viele Männer, denen ein glattrasierter Kopf sehr steht, ich ähnle mit meinem neuen Kopfdesign mit Narben und Runzeln aber eher dem Bösewicht Blofeld aus den alten James-Bond-Filmen 😉 Wenn die Arztprognosen zutreffen darf ich mich aber in 9-12 Monate (ca. 6 Monate nach dem Ende der Chemotherapie) auf eine neue Haarpracht freuen. Vielleicht lasse ich mir die Haare dann im Flower-Power-Style wachsen und verzichte für einige Zeit auf einen Coiffeur.

Ansonsten geniesse ich heute einen schmerzfreien Tag mit viel Müdigkeit, die könnte aber auch davon stammen, dass ich letzte Nacht mit meinem Bruder den Super-Bowl Live im Fernsehen mitverfolgte. Leider verlor mein Lieblingsteam die San Francisco 49ers nach einem sehr spannenden und nervenaufreibenden Spiel gegen die Baltimore Ravens mit 31:34.

1. Chemo – Tag 18 – Kehrsatz: →

Nur noch wenige Tag bis zur nächsten Chemo am kommenden Dienstag. Nach der Blutentnahme vom letzten Dienstag zeigte das Blutbild, dass die Leukozyten (weisse Blutkörperchen im Blut für die Abwehr von Krankheitserregern) von 6 auf 3.3. zurückgegangen sind. Einerseits gut und wichtig für die erfolgreiche Chemotherapie, andererseits heikel bis gefährlich für mögliche Infektionen. Und natürlich genau in diesen Tagen haben wir ein fast stetes Lazarett bei uns zu Hause. Nach dem Fieber meiner Frau von letzter Woche ist seit gestern unsere ältere Tochter (6 Jahre alt) mit Fieber im Bett. Zum guten Glück haben wir grossartige Unterstützung von meiner Mutter, welche uns während der Arbeitszeit meiner Frau hilft. Von den Nebenwirkungen spüre ich heute wieder Rückenschmerzen und seit einigen Tagen die angekündigte, starke Müdigkeit, welche auch nach einem guten Schlaf bleibt. Mühsam, aber gut zu ertragen.

In den letzten Tagen war unser Wohnort Kehrsatz ständig in der regionalen und nationalen Presse wegen eines sogenannten „Ausgangsverbot für unter 16-jährige Jugendliche“. Ein neues Reglement bestimmt seit dem 1. Januar 2013, dass sich Jugendliche unter 16 Jahren zwischen 22 und 6 Uhr nicht mehr ohne Begleitung von Sorgeverantwortlichen
auf öffentlichen Plätzen aufhalten dürfen. Rauchen und Alkohol sind verboten. Seit 2008 und bis Ende 2012 war ich selber Mitglied (Sekretär) der Kommission für Bevölkerung und Integration, welche dieses Reglement mit ausarbeitete. In der Gemeindeversammlung vom letzten Dezember stimmte ich, wie alle ausser einer Person, für dieses Reglement. Es war nie die Meinung der Gemeindebehörden, dass sich Jugendliche grundsätzlich nicht mehr draussen aufhalten dürfen, es ging einzig darum, bei Verfehlungen (Lärm, Vandalismus, Littering, etc.) eine rechtliche Grundlage zu haben. Was oft vergessen wird, die Freiheit des Einzelnen geht nur soweit, bis sie die Freiheit eines Anderen eingrenzt. Wir hatten in der Gemeinde einige Probleme mit Anwohnern, welche durch Lärm und Eigentümer, welche durch Vandalismus von wenigen Jugendlichen in ihrer eigenen Freiheit gestört wurden. Seit den Patroullien der Broncos (welche bisher bei Lärm oder hinterlassendem Abfall immer sehr freundlich aber bestimmt blieben) hat sich die Situation markant verbessert. Es ist meiner Ansicht nach bedauerlich, dass die Profilierungsneurose der JuSo die Gemeinde Kehrsatz und ihre Behörden in ein schiefes Licht rückten. Ebenso erstaunlich, weil gleiche oder ähnliche Reglemente seit Jahren in anderen Gemeinden bestehen. Die Gemeinde stand einem Gespräch mit Jugendlichen jederzeit offen gegenüber, auch ohne Einmischung von Aussen (JUSO Bern). So erstaunte es nicht, dass bei der Protestaktion von letztem Freitag das Durchschnittsalter bei ca. 22 Jahren lag und von den 150 Demonstranten nur ca. 20 aus Kehrsatz selber stammten.

Unser neuer Gemeinderat (seit 1.1.2013) hat meine volle Unterstützung. Von den fünf Mitgliedern kenne ich alle persönlich und arbeitete mit vier von ihnen während Jahren in der Kommission für Bevölkerung und Integration sehr gerne und erfolgreich zusammen. Wir haben hier in Kehrsatz grossartige Menschen, welche sich ehrenamtlich oder nebenamtlich mit ganzem Herzblut für die Gemeinde engagieren.

Seit letztem Dienstag bin ich in einer neuen Funktion für die Gemeinde tätig. Ich darf die nächsten vier Jahre die Kommission für Bildung und Jugend präsidieren. Weil unsere Tochter im Sommer eingeschult wird, war ich an einem Wechsel in die KoBi interessiert. Neben Kita, Tagesschule und dem Schulbetrieb werden wir das Gespräch mit den Jugendlichen von Kehrsatz suchen, um für ihre Bedürfnisse eine Lösung zu finden. Dies scheiterte leider vor einigen Jahren am fehlenden Engagement der ortsansässigen Jugendlichen. Vielleicht klappt es jetzt besser.

1. Chemo – Tag 14 – LEGO: ↑

Heute ist ein wunderbarer Tag. Draussen ein fantastischer Wintertag mit blauem Himmel und viel Sonnenschein auf den schneebedeckten Garten, drinnen ein überaus glücklicher Patient ohne irgendwelche Schmerzen und freudig an der Arbeit.

Die letzten Tage waren ein Auf und Ab, sehr gute Stunden abgelöst von mühsamen Zeiten mit teilweise recht heftigen Rücken- und Brustschmerzen (am Ort des Tumors). Gestern war sicherlich ein negativer Höhepunkt als wir mit der Familie das Naturhistorische Museum besuchten und ich nach ca. 2 Stunden die Segel streichen musste. Mir wurde schwindlig und gemäss meiner Frau ziemlich blass im Gesicht. Nach dem Hinlegen zu Hause gings aber recht schnell wieder besser. Ich muss wohl doch begreifen, dass ich nicht im Vollbesitz meiner Kräfte bin.

Ein positiver Höhepunkt waren dagegen die vielen Stunden in den letzten Wochen, welche ich mit meinen Töchtern beim LEGO-Spielen verbracht habe. Seit Ende 2012 haben wir von Duplo auf die kleinen, normalen LEGO-Steine umgestellt und es macht wieder riesige Freude. Eine Sucht aus eigenen Kindertagen ist zurückgekehrt und ist gemeinsam mit meinen Mädchen (3 + 6 Jahre alt) noch viel schöner auszuleben. Nachdem wir fast alles nachgebaut haben, was seit etwa 35 Jahren im Estrich moderte (sogar der alte Elektrozug fuhr auf Anhieb wieder los), wagten wir uns seit ein paar Wochen an neue, ambitioniertere Konstruktionen. Unglaublich, was LEGO heute anbietet.20130128_143014 Die Tower Bridge und der Strassenzug mit Shop, Feuerwehr, Wohnhaus und einem Zoogeschäft auf dem Bild besteht zusammen aus über 10’000 LEGO-Teilen und war einfach grossartig zum gemeinsamen Bauen.

Morgen ist der nächste Termin beim Onkologen. Neben einem kurzen Gespräch wird es eine weitere Blutentnahme geben. Eine Woche später erwartet mich dann die 2. Chemo.

1. Chemo – Tag 8 – Blutentnahme: →

Bin soeben vom Onkologen zurück. Die Detailuntersuchungen des Gewebes haben ergeben, dass es sich tatsächlich um denselben Tumor handelt, welcher bereits 2011 mit der Bestrahlung behandelt wurde. Zwar sei er leicht mutiert und so zu einem hochmalignem Lymphom geworden, aber es sei derselbe. Das ist eine gute Nachricht, denn ein anderer, zusätzlicher Tumor wäre schwieriger zu behandeln gewesen.

Die nächsten 10 Tage werden gemäss des Onkologen besonders kritisch. Die Dosis der Chemotherapie wurde aufgrund der Grösse und des Gewichtes anhand Statistiken definiert. Da aber jeder individuell anders auf die Chemo reagiert, ist es eine Gratwanderung zwischen zu wenig (der Tumor bleibt unbeeinflusst) und zu viel (das Immunsystem wird zu sehr beschädigt und kann normale Infektionen nicht mehr bekämpfen). Aus diesem Grund muss ich vor allem in den nächsten 10 Tagen sehr vorsichtig sein und mich sofort beim Onkologen oder beim Notfall melden, wenn meine Körperthemperatur über 38° steigt. Dies könnte ein Zeichen dafür sein, dass die Chemo das Immunsystem zu sehr geschwächt hat. Ich solle mich zudem von möglichen Infektionen fernhalten. Und das am Tag, an welchem meine Frau mit über 38° Fieber im Bett liegt – vielleicht das zweite oder dritte Mal seit wir uns vor über 12 Jahren kennenlernten.

Immerhin sind die Schmerzen heute sehr gut zu ertragen. Bis vor einer Stunde war ich sogar ganz schmerzfrei, jetzt strahlen sie wieder etwas vom Rückenmark durch den Körper – aber momentan gut auszuhalten.

1. Chemo – Tag 5: ↓

Der 5. Tag ist kein guter Tag. Will nicht lange jammern, aber die Gliedschmerzen (oder eher Nervenschmerzen am ganzen Körper, u.a. bis ins Knochenmark) und die Schmerzen im Mund (wohl die Nerven im Zahnhals oder Wurzel) kommen in Wellen und sind einiges schlimmer geworden. Dafalgan (Schmerzmittel) wirkt kaum. Hoffe, dass es schnell wieder abklingt.

Ich spüre den Krieg in mir zwischen den guten und bösen Zellen. Zwar leide ich an den Schmerzen aber es ist gut zu wissen, dass jede Stunde mich eine Stunde näher an die Gesundung bringt und stelle mir gerne den kommenden Sommer vor, mit der Familie im Pool, frei von Schmerzen und wieder gesund.